Warum ausgerechnet Klassiker? Und: Wer gehört dazu?
...fragen sich Michael Meyen und Maria Löblich in ihrer Einleitung zum Buch "Klassiker der Kommunikationswissenschaft" - und liefern die Antwort auf die zweite Frage im Inhaltsverzeichnis desselben: Männer. Zwölf Männer - und eine Frau mit zweifelhafter Vergangenheit.
Die einzige Frau, die in dem Band von Meyen und Löblich porträtiert wird, ist - natürlich! - Elisabeth Noelle-Neumann. Dass sie nicht nur in den USA als ehemalige überzeugte Antisemitin gilt, wird "im Vorbeigehen" (auf einer halben von 21 Seiten) erwähnt. Dort ist dann zu lesen, "[w]ie sehr Elisabeth Noelle-Neumann die Nazi-Vorwürfe gekränkt haben" (Meyen/Löblich 2006: 265), und beschwichtigend stellen die AutorInnen fest, dass die Beschuldigte "viele Indizien für eine oppositionelle Gesinnung zusammengetragen" hat (ebd.).
Zu den "Indizien" zählt nach Meinung der AutorInnen etwa der verspätete Eintritt in den "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund" (erst 1937!), hier dokumentiert.
Nicht zu den "Indizien" zählt nach Meinung der AutorInnen der Das Reich-Artikel "Verwandeltes Schuljahr" (1941), in dem Noelle die Hitlerjugend lobt - hier einzusehen. Auch der Das Reich-Artikel "Wer informiert Amerika?" (1941) - ihre Antwort lautete natürlich: Juden, Juden, Juden - zählt zufälligerweise nicht dazu (einzusehen hier). Und weil Noelle-Neumanns Tätigkeit für Das Reich kein "Indiz" für ihre Unschuld ist, wird sie von den AutorInnen nicht erwähnt. So ist das mit der Vergangenheitsbewältigung.
Feministinnen dürfen sich nicht immer freuen, wenn eine Frau in einen - wie auch immer gearteten - Kanon aufgenommen wird. Denn erstens ist eine keine.
Und zweitens gibt es - leider - Frauen, auf die Frauen nicht stolz sein sollten/können.
Und zuletzt: Eine Frau wie Noelle-Neumann, die darauf stolz ist, dass ihr Leben nach dem "Muster des Verliebtseins und Flirtens" verlief und damit prahlt, in den 1937/38 in den USA (beim Auslandstudium, das nur wenigen - systemtreuen? - Studierenden gewährt wurde) als "sehr hübsch" beschrieben worden zu sein, ist so oder so kein Vorbild!
Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass Christopher Simpson, der die Noelle-Neumann-Dokumente im Internet zugänglich macht (hier), bereits 1997 von der "Klassikerin" mit Klagen bedroht wurde.
Meyen, Michael / Löblich, Maria (2006): Elisabeth Noelle-Neumann: Eine Vision in Berlin. In: Diess.: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK, 255-276.
Die einzige Frau, die in dem Band von Meyen und Löblich porträtiert wird, ist - natürlich! - Elisabeth Noelle-Neumann. Dass sie nicht nur in den USA als ehemalige überzeugte Antisemitin gilt, wird "im Vorbeigehen" (auf einer halben von 21 Seiten) erwähnt. Dort ist dann zu lesen, "[w]ie sehr Elisabeth Noelle-Neumann die Nazi-Vorwürfe gekränkt haben" (Meyen/Löblich 2006: 265), und beschwichtigend stellen die AutorInnen fest, dass die Beschuldigte "viele Indizien für eine oppositionelle Gesinnung zusammengetragen" hat (ebd.).
Zu den "Indizien" zählt nach Meinung der AutorInnen etwa der verspätete Eintritt in den "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund" (erst 1937!), hier dokumentiert.
Nicht zu den "Indizien" zählt nach Meinung der AutorInnen der Das Reich-Artikel "Verwandeltes Schuljahr" (1941), in dem Noelle die Hitlerjugend lobt - hier einzusehen. Auch der Das Reich-Artikel "Wer informiert Amerika?" (1941) - ihre Antwort lautete natürlich: Juden, Juden, Juden - zählt zufälligerweise nicht dazu (einzusehen hier). Und weil Noelle-Neumanns Tätigkeit für Das Reich kein "Indiz" für ihre Unschuld ist, wird sie von den AutorInnen nicht erwähnt. So ist das mit der Vergangenheitsbewältigung.
Feministinnen dürfen sich nicht immer freuen, wenn eine Frau in einen - wie auch immer gearteten - Kanon aufgenommen wird. Denn erstens ist eine keine.
Und zweitens gibt es - leider - Frauen, auf die Frauen nicht stolz sein sollten/können.
Und zuletzt: Eine Frau wie Noelle-Neumann, die darauf stolz ist, dass ihr Leben nach dem "Muster des Verliebtseins und Flirtens" verlief und damit prahlt, in den 1937/38 in den USA (beim Auslandstudium, das nur wenigen - systemtreuen? - Studierenden gewährt wurde) als "sehr hübsch" beschrieben worden zu sein, ist so oder so kein Vorbild!
Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass Christopher Simpson, der die Noelle-Neumann-Dokumente im Internet zugänglich macht (hier), bereits 1997 von der "Klassikerin" mit Klagen bedroht wurde.
Meyen, Michael / Löblich, Maria (2006): Elisabeth Noelle-Neumann: Eine Vision in Berlin. In: Diess.: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK, 255-276.
Laura Gruber - 11. Apr, 15:36